Generalisierte Angststörung

Einleitung

Jeder Mensch hat manchmal Angst. Wenn Gefahr droht, hat Angst eine wichtige Schutzfunktion: Sie versetzt den Körper in Alarmbereitschaft, damit er schnell reagieren kann. Aber auch Sorgen und Ängste um die Zukunft, die Arbeit oder die Familie können schützen: zum Beispiel davor, unvorsichtig zu handeln und in eine schwierige Lage zu geraten.

Wenn Ängste jedoch überhandnehmen, können sie zu einer Belastung werden. Betroffene machen sich dann nahezu ständig und über alles Mögliche Sorgen. Wenn Ängste alles überschatten und gar nicht mehr verschwinden, hat sich möglicherweise eine generalisierte Angststörung (GAS) entwickelt. Wer diese Angststörung hat, weiß meistens, dass seine Ängste ein natürliches Maß überschreiten, kann sie aber nicht kontrollieren. Es ist schwer, diesen Zustand von allein wieder zu überwinden. Verschiedene Behandlungen können aber dabei helfen.

Symptome

Eine generalisierte Angststörung kann sich sowohl psychisch als auch körperlich äußern. Zu den psychischen Beschwerden gehören andauernde, wirklichkeitsferne und übertriebene Befürchtungen. Die Ängste betreffen verschiedene Bereiche des Lebens. Sie sind keine Reaktion auf eine Bedrohung und auch nicht auf bestimmte Dinge oder Situationen beschränkt. Weil sich die Angst auf alles Mögliche beziehen kann oder sich gar nicht mehr mit konkreten Anlässen in Verbindung bringen lässt, sprechen Fachleute von „generalisierter“ Angst.

Menschen mit einer generalisierten Angststörung können sich zum Beispiel in einem Moment ängstigen, dass ihr Partner auf dem Weg zur Arbeit einen Unfall haben könnte. Im nächsten Augenblick fürchten sie, dass ihr Kind auf dem Weg zur Schule überfahren wird; dann, dass sie ihren Schlüssel verlieren könnten, und schließlich, dass sie am nächsten Tag einen Herzinfarkt bekommen. Sie machen sich praktisch über alles Sorgen – über große wie kleine und sogar über völlig belanglose Dinge. Viele fürchten auch die Angst selbst oder machen sich Sorgen darüber, dass sie sich dauernd Sorgen machen. Die ständigen Befürchtungen schränken das tägliche Leben deutlich ein und können die Stimmung verdüstern. Vor allem, wenn gleichzeitig eine Depression besteht, kann eine Angststörung das Gefühl verstärken, das Leben sei nicht mehr lebenswert.

Als Reaktion auf Angst setzt die Nebenniere das Hormon Adrenalin frei. Es beschleunigt viele Körperfunktionen – normalerweise, um die Wachsamkeit und Reaktionsbereitschaft kurzfristig zu erhöhen: Das Herz schlägt schneller, die Atemzüge werden kurz und flach. Bei Menschen mit einer generalisierten Angststörung hält dieser normalerweise nur kurze körperliche Alarmzustand mit Herzrasen oder -klopfen und Kurzatmigkeit oft länger an. Er wird dann als sehr unangenehm erlebt.

Mögliche weitere Symptome sind unter anderem Benommenheit, Nervosität oder Schwindel. Häufig sind auch Zittern, Schwitzen, Muskelverspannungen und Magenbeschwerden.

Sich ständig zu ängstigen, ist erschöpfend und kann zu Konzentrations- und Schlafstörungen führen.

Wenn Ängste nur in bestimmten Situationen auftreten, handelt es sich wahrscheinlich nicht um eine generalisierte Angststörung. Auch plötzlich einsetzende Panikattacken sind kein Merkmal einer generalisierten Angststörung, sie können aber manchmal hinzukommen.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen einer generalisierten Angststörung sind noch nicht ganz geklärt. Vermutlich spielen sowohl körperliche als auch psychische Faktoren eine Rolle. Manche Menschen mit einer Angststörung haben in ihrer Kindheit oder im späteren Leben ein schweres Trauma durchlebt, Verluste erlitten oder viele strapaziöse Erfahrungen gemacht, zum Beispiel starken familiären Stress oder andauernde extreme Arbeitsbelastung.

Manchmal kann eine Lebenskrise Ängste hervorrufen, die sich zu einer generalisierten Angststörung entwickeln. Es gibt auch Hinweise darauf, dass in manchen Familien häufiger Angststörungen vorkommen. Manchmal ist eine Angststörung Folge einer anderen Erkrankung – etwa einer Depression oder Panikstörung – oder hängt mit einer Suchterkrankung zusammen. Sie kann aber auch ohne erkennbare Gründe auftreten.

Häufigkeit

Die generalisierte Angststörung ist eine verbreitete Angsterkrankung. Nach Schätzungen erhalten etwa 5 % aller Menschen im Laufe des Lebens diese Diagnose. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Meist beginnt eine Angststörung im mittleren Erwachsenenalter – manchmal aber auch schon im Kindes- oder erst im Seniorenalter.

Verlauf

Normalerweise entwickelt sich eine generalisierte Angststörung langsam. Ängste und mögliche körperliche Symptome wie Herzrasen fallen zunächst nicht als Anzeichen einer Erkrankung auf. Erst allmählich schränken die Beschwerden den Alltag und das Wohlbefinden immer stärker ein.

Eine ausgeprägte Angststörung kann sehr hartnäckig sein. Es dauert häufig viele Monate oder Jahre, bis sie überwunden ist. Bis dahin erleben Betroffene aber auch Phasen mit weniger starker Angst.

In einer Studie hatte nach zwei Jahren etwa jeder vierte Betroffene die Angststörung überwunden. Langfristig schaffen es jedoch viele Menschen, ihre Ängste zu überwinden. Mit dem Alter geht sie ohnehin oft zurück.

Diagnose

Die Symptome einer generalisierten Angststörung können denen anderer psychischer Erkrankungen wie Phobien, Panikstörungen oder Zwangsstörungen ähneln. Zudem haben viele Betroffene Beschwerden, die eher zu einer Depression passen.

Die möglichen körperlichen Symptome der generalisierten Angst – etwa Herzrasen – kommen auch bei Erkrankungen wie einer Schilddrüsenüberfunktion vor oder können durch bestimmte Arzneien und Drogen wie Amphetamine („Speed“) ausgelöst werden.

Eine generalisierte Angststörung festzustellen, kann deshalb schwierig sein und einige Zeit dauern – vor allem, wenn man zunächst wegen der körperlichen Symptome Hilfe sucht, vielleicht sogar in der Notaufnahme. Manchmal wird dann nur ein körperliches Symptom der Störung behandelt – oder nur ein einzelnes Symptom wie Schlafstörungen. Durch erste Gespräche im Rahmen einer Psychotherapie gelingt es Fachleuten aber, die richtige Diagnose zu stellen. Eine „generalisierte Angststörung“ wird diagnostiziert, wenn Ängste

  • für mindestens sechs Monate andauern und in dieser Zeit an den meisten Tagen bestehen,
  • unkontrollierbar werden,
  • so belastend sind, dass sie den Alltag beeinträchtigen und
  • wenn sie mit mindestens drei körperlichen Symptomen verbunden sind – etwa beschleunigtem Puls, Zittern, Muskelverspannungen oder Magenbeschwerden.

Behandlung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Angststörung mit der Zeit besser in den Griff zu bekommen. Dazu gehören:

  • psychologische und psychotherapeutische Behandlungen wie die kognitive Verhaltenstherapie. Mit ihrer Hilfe kann man lernen, seine Gedanken und Ängste zu steuern und zu verändern.
  • Entspannungsverfahren wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung sowie Atemübungen können helfen, sich zu entspannen und mit Stress besser umzugehen. Sie werden oft auch im Rahmen psychotherapeutischer Behandlungen eingesetzt.
  • Medikamente: Bei einer Angststörung kommen vor allem bestimmte Antidepressiva infrage. Manche Menschen wenden auch pflanzliche Beruhigungsmittel auf Baldrian- oder Kamillebasis an.
  • Selbsthilfe: In Selbsthilfegruppen besteht die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Betroffenen. Manchen Menschen hilft es auch, sich gut über die Erkrankung zu informieren – ob mit Büchern, Broschüren oder im Internet.

Zwar ist durch keine Behandlungsmethode eine schnelle und einfache „Heilung“ zu erwarten – die verschiedenen Verfahren können aber dafür sorgen, dass Symptome gemildert werden und man mit der Angst besser umgehen kann. Das ist oft schon nach einigen Wochen spürbar. Viele Menschen schaffen es mit Geduld und der Hilfe einer Therapeutin oder eines Therapeuten mit der Zeit, ihre Angststörung zu überwinden.

Leben und Alltag

Viele Menschen mit einer generalisierten Angststörung erleben, dass die Erkrankung ihren beruflichen und privaten Alltag und ihre persönlichen Beziehungen beeinflusst. Bei manchen führt die Angst zum Beispiel dazu, dass sie sich öfter krankmelden. Viele versuchen, ihre Angst zu verbergen, und ziehen sich deshalb von anderen Menschen zurück. Manche bleiben dann viel zu Hause, wo sie sich sicher fühlen. Sie versuchen so, Situationen zu umgehen, die ihre Angst steigern und körperliche Symptome auslösen oder verstärken könnten.

Oft fällt es sehr schwer, mit einer Angsterkrankung offen umzugehen. Vielen gelingt das kaum – oder nur bei einer Vertrauensperson. Mit therapeutischer Unterstützung ist es aber oft möglich, sich zum Beispiel Familienmitgliedern zu öffnen und sie über die eigene Erkrankung aufzuklären. Sich professionelle Unterstützung, aber auch Hilfe im persönlichen Umfeld zu suchen, empfinden viele als einen wichtigen Schritt zur Bewältigung der Angst. Hilfreich erscheint vielen auch, im Alltag trotz Ängsten möglichst aktiv zu bleiben – etwa durch Sport oder indem man sich um andere Menschen kümmert.

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Quellen:

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